Mit dem Jänner 1999 erschienen Buch Wenn Gottes Wort zur Waffe wird. Fundamentalismus in christlichen Gruppierungen befindet sich der Journalist und Theologe Uwe Birnstein auf seinem Spezialgebiet. Der Autor ist Kenner der religiös-rechten Szene besonders in Deutschland und verfügt über internationale Erfahrungen und Kontakte. Sieht man von der Gewöhnungsbedürftigkeit gewisser bundesdeutscher Spracheigenheiten ab, wozu im Fall Birnsteins leider auch die Verwendung von "-i"-Abkürzungen wie "Volkies" gehört, ist das Buch leicht verständlich und flüssig zu lesen. Allenfalls auftretende Wutausbrüche liegen in den geschilderten Inhalten begründet und sind nicht dem Verfasser anzulasten.
Anfangs mag das Buch für manche, die sich nicht das erste Mal mit diesem Themengebiet auseinandersetzen, etwas langatmig-mühsam sein, denn Birnstein versucht sich eingangs in einer kritischen Distanz zu allen Vorurteilen und Klischees über Fundamentalisten zu positionieren, was spätestens im vierten Kapitel in die unausweichliche Aporie führt.
Die Abhandlungen über Klischees und Begrifflichkeiten rund um das Thema werden den Ansprüchen kritischer TheologInnen vermutlich nicht gerecht werden, doch informativ sind sie auf jeden Fall und das Eigentliche kommt ja erst danach:
In einer gut strukturierten und übersichtlichen Weise, der man auch folgen kann, wenn man das Buch nur für kurze Straßenbahnfahrten zur Hand nimmt und in Etappen liest, handelt Uwe Birnstein die wichtigsten Protagonisten und Themen der evangelikal-pfingstlerischen Szene ab.
Die binäre Denkweise mit der Figur des Satans als Gegenüber Gottes, die Strategien der Mission, die zweifelhafte Ambivalenz beim Thema Ökumene und die publizistischen Aktivitäten der Szene werden verständlich geschildert, wobei sich Birnstein nicht scheut, auch auf Kosten der Überblickbarkeit auf die vielen logischen und strategischen Ungereimtheiten in den Aktivitäten der Szene hinzuweisen.
Wenn es um Evangelikale geht, dürfen natürlich Reizthemen nicht fehlen: Sexualität ist das zentrale Beschäftigungsfeld des rechten Randes, das gilt nicht nur für die katholische Kirche, deren rechts-außen-Vertreter vermutlich vor Neid blass werden, wenn sie die Einstellung einiger evangelikaler Starprediger zum Thema Judenmission kennen. Angesichts der Methoden der evangelikalen Jugendarbeit sind offenkundig schon einige KatholikInnen mehr als nur vor Neid blass geworden und haben sich kurzerhand viel zu viel abgeschaut, denn was man hierorts find-fight-follow nennt ist evangelikale Jugendarbeit par excellence (ok, in der letzten Konsequenz hapert es noch, Gott sei Dank).
In Summe ist Wenn Gottes Wort zur Waffe wird eine verständliche und leicht lesbare Einführung in die Problematik, die sich vorschneller Urteile enthält aber doch Grundlagen zu einer klaren Orientierung bietet.
Birnstein, Uwe: Wenn Gottes Wort zur Waffe wird. Fundamentalismus in christlichen Gruppierungen, Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 1999. (Gütersloher Taschenbücher 1138) ISBN 3-579-01138-3
Mittwoch, 17. Dezember 2008
Freitag, 12. Dezember 2008
Argumentationstraining gegen Stammtischparolen - Klaus-Peter Hufer
Beruhend auf einer Reihe von Seminaren, die der Autor zu diesem Themenbereich geleitet hat, bietet das kleine Büchlein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen eine kompakte Übersicht zu Themenfeld und Problematik der verkürzenden, polarisierenden und allzu leicht verhetzenden Redeweise, die hier unter dem klassischen Bild des Wirtshausstammtisches subsummiert wird.
Dieses Buch bietet einerseits die Möglichkeit, es als ganz gewöhnliches Buch zu lesen - verschiedene Abschnitte sind auch dafür eigens gekennzeichnet, andererseits auch Materialien und Beispieltexte für die Beschäftigung mit dem Thema in Kleingruppen oder Seminaren.
Selbst wenn am Ende der Lektüre mehr oder weniger deutlich wird, dass man gegen derartige Stammtischparolen mit vernünftiger, differenzierender Argumentation mit hoher Wahrscheinlichkeit doch immer wieder das Nachsehen haben wird, bringt das Buch einige Anregungen und bietet eine Zusammenfassung der praktischen Problemlage, die in der Kürze meines Wissens vor diesem Buch noch nicht vorlag.
Hufer, Klaus-Peter: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen: Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen, Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. (7)2005.
ISBN 3-87920-054-8
Dieses Buch bietet einerseits die Möglichkeit, es als ganz gewöhnliches Buch zu lesen - verschiedene Abschnitte sind auch dafür eigens gekennzeichnet, andererseits auch Materialien und Beispieltexte für die Beschäftigung mit dem Thema in Kleingruppen oder Seminaren.
Selbst wenn am Ende der Lektüre mehr oder weniger deutlich wird, dass man gegen derartige Stammtischparolen mit vernünftiger, differenzierender Argumentation mit hoher Wahrscheinlichkeit doch immer wieder das Nachsehen haben wird, bringt das Buch einige Anregungen und bietet eine Zusammenfassung der praktischen Problemlage, die in der Kürze meines Wissens vor diesem Buch noch nicht vorlag.
Hufer, Klaus-Peter: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen: Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen, Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. (7)2005.
ISBN 3-87920-054-8
Spiritualität schafft Befreiung - Stefan Aulbach
Stefan Aulbach stellt in seinem Buch Spiritualität schafft Befreiung. Der Entwurf christlicher Existenz bei Juan Luis Segundo die Theologie eines Theologen vor, der wahrscheinlich am gründlichsten die spirituelle Dimension der Theologie der Befreiung herausgearbeitet hat.
Was Juan Luis Segundo für die europäische Theologie besonders interessant macht, ist sein strukturierter und konsequenter Ansatz, der von der Fundamentaltheologie ausgehend eine Theologie der Spiritualität entwirft. Das macht ihn gleichzeitig zu einem untypischen Vertreter der Theologie der Befreiung, denn anders als die meisten geht er nicht explizit von den Armen aus, um von dort aus seine theologischen Konzepte zu entwerfen, sondern er verankert seine Theologie in einer Weise, die europäischen TheologInnen vertraut und schlüssig erscheint.
Gott, Geschichte, Glaube und ideología (die im Unterschied zu dem bei uns sehr belasteten Begriff der Ideologie als etwas positives, fruchtbringendes verstanden wird) bilden die Grundbegriffe seiner Theologie. Hinzu tritt der Begriff, der die Subjektwerdung des Menschen in allen seinen Lebensvollzügen am deutlichsten beschreibt: die Befreiung.
Der fundamentaltheologischen folgt eine biblische Grundlegung, die schon den Weg zu einer befreienden Spiritualität zu weisen vermag: das befreiende Handeln Jesu von Nazareth und dessen befreiende Botschaft vom Reich Gottes werden nicht bloß vorgestellt und exemplifiziert, Segundo macht schlüssig und ohne holprige Konditionalpostulate deutlich, dass darin der Kern und der Höhepunkt des Wirkens des historischen Jesus und des auferstandenen Christus liegt.
Nur um kein Missverständnis aukommen zu lassen: Juan Luis Segundo entwirft keine Befreiungstheologie ohne Arme, ganz im Gegenteil: der Arme tritt im Zuge der theologischen Überlegungen immer wieder in den Mittelpunkt. Aulbach schafft es in seiner Zusammenfassung sehr gut, den LeserInnen deutlich zu machen, dass dem nicht deshalb so ist, weil Segundo als Befreiungstheologe die Armen dort haben wolle, sondern dass die zentrale Stellung der Armen in den biblischen und anthropologischen Fundamenten der Theologie grundgelegt ist.
Persönliches Highlight ist für mich die Gleichnisauslegung Segundos, die viele latent schlummernde Fragen und Zweifel in eine theologische Klarheit brachte, die mir persönlich zuvor gerade was die Gleichnisreden betrifft unbekannt war.
Dem Duktus der Theologie Segundos folgend geht Aulbach zum Abschluss seiner Darstellung auf mehrere Grundprobleme der Theologie der Spiritualität ein, die besonders im Wiener Kontext mehr als lesens- und bedenkenswert sind: Das Verhältnis von Volksfrömmigkeit und Spiritualität einerseits, das Verhältnis von Theologie und Spiritualität andererseits und die der Befreiungstheologie immer wieder aufgedrängte Frage der Positionierung zwischen Kapitalismus und Sozialismus.
Eine lohnende Lektüre für alle, die am Ende mehr von Spiritualität erwarten als die persönliche Versenkung im Gebet.
Aulbach, Stefan: Spiritualität schafft Befreiung. Der Entwurf christlicher Existenz bei Juan Luis Segundo, Verlag Peter Lang: Frankfurt am Main, 1992.
(Würzburger Studien zur Fundamentaltheologie, Band 10)
ISBN: 3-631-45078-8
Was Juan Luis Segundo für die europäische Theologie besonders interessant macht, ist sein strukturierter und konsequenter Ansatz, der von der Fundamentaltheologie ausgehend eine Theologie der Spiritualität entwirft. Das macht ihn gleichzeitig zu einem untypischen Vertreter der Theologie der Befreiung, denn anders als die meisten geht er nicht explizit von den Armen aus, um von dort aus seine theologischen Konzepte zu entwerfen, sondern er verankert seine Theologie in einer Weise, die europäischen TheologInnen vertraut und schlüssig erscheint.
Gott, Geschichte, Glaube und ideología (die im Unterschied zu dem bei uns sehr belasteten Begriff der Ideologie als etwas positives, fruchtbringendes verstanden wird) bilden die Grundbegriffe seiner Theologie. Hinzu tritt der Begriff, der die Subjektwerdung des Menschen in allen seinen Lebensvollzügen am deutlichsten beschreibt: die Befreiung.
Der fundamentaltheologischen folgt eine biblische Grundlegung, die schon den Weg zu einer befreienden Spiritualität zu weisen vermag: das befreiende Handeln Jesu von Nazareth und dessen befreiende Botschaft vom Reich Gottes werden nicht bloß vorgestellt und exemplifiziert, Segundo macht schlüssig und ohne holprige Konditionalpostulate deutlich, dass darin der Kern und der Höhepunkt des Wirkens des historischen Jesus und des auferstandenen Christus liegt.
Nur um kein Missverständnis aukommen zu lassen: Juan Luis Segundo entwirft keine Befreiungstheologie ohne Arme, ganz im Gegenteil: der Arme tritt im Zuge der theologischen Überlegungen immer wieder in den Mittelpunkt. Aulbach schafft es in seiner Zusammenfassung sehr gut, den LeserInnen deutlich zu machen, dass dem nicht deshalb so ist, weil Segundo als Befreiungstheologe die Armen dort haben wolle, sondern dass die zentrale Stellung der Armen in den biblischen und anthropologischen Fundamenten der Theologie grundgelegt ist.
Persönliches Highlight ist für mich die Gleichnisauslegung Segundos, die viele latent schlummernde Fragen und Zweifel in eine theologische Klarheit brachte, die mir persönlich zuvor gerade was die Gleichnisreden betrifft unbekannt war.
Dem Duktus der Theologie Segundos folgend geht Aulbach zum Abschluss seiner Darstellung auf mehrere Grundprobleme der Theologie der Spiritualität ein, die besonders im Wiener Kontext mehr als lesens- und bedenkenswert sind: Das Verhältnis von Volksfrömmigkeit und Spiritualität einerseits, das Verhältnis von Theologie und Spiritualität andererseits und die der Befreiungstheologie immer wieder aufgedrängte Frage der Positionierung zwischen Kapitalismus und Sozialismus.
Eine lohnende Lektüre für alle, die am Ende mehr von Spiritualität erwarten als die persönliche Versenkung im Gebet.
Aulbach, Stefan: Spiritualität schafft Befreiung. Der Entwurf christlicher Existenz bei Juan Luis Segundo, Verlag Peter Lang: Frankfurt am Main, 1992.
(Würzburger Studien zur Fundamentaltheologie, Band 10)
ISBN: 3-631-45078-8
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