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Freitag, 17. April 2009

Amerikanische Religion - Michael Hochgeschwender

Ich erlaube mir gleich vorweg zwei Sätze, um Missverständnissen über dieses Buch und seine Rezension vorzubeugen: Amerikanische Religion. Evangelikalismus, Pfingstlertum und Fundamentalismus lautet der volle Titel des Essays von Michael Hochgeschwender - damit ist schon einmal der erste denkbare Fehlschluss aus dem Kurztitel ausgeräumt: Thema dieses Essays ist das Christentum in seinen spezifisch amerikanischen Ausprägungen, andere Religionen werden darin nicht behandelt. Zur zweiten möglichen Erwartung, dass Amerika als Kontinent den geographischen Rahmen bilden könnte, sei auch gleich eingangs bemerkt: Hochgeschwender behandelt die religiöse Situation in den USA. Manche mögen beides für selbstverständlich halten, ich tue das nicht und möchte es daher schon vorher klären.

Nach dem Ende der Ära Bush II scheinen manche europäische BeobachterInnen den Fehler machen zu wollen, und die Bedeutung der evangelikal-fundamentalistischen Szene für zurückgehend zu halten. Dafür gibt es keine Anzeichen, auch wenn sich die Wahl von Barack Obama sicherlich auch auf die Rolle der Evangelikalen in den USA auswirken wird.
Das Buch von Michael Hochgeschwendner ist 2007 erschienen und dieses Erscheinungsdatum liegt wohl schon nach der Blütezeit der Ära Bush - die wichtigen Mid-Term-Elections waren verloren, die Umfragewerte waren tiefer denn je, aber es waren auch die wichtigsten Stellen - vor allem die Richterstellen am Obersten Gerichtshof - längst nachbesetzt.
Der Aktualität dieses Buches tut das alles aber keinen Abbruch, und man kann getrost behaupten, dass Hochgeschwendner hier einen umfassenden und breit angelegten Durchgang durch die Geschichte des spezifisch nordamerikanischen Christentums bietet, den man in der Dichte wohl nicht so schnell anderswo finden wird.

Ausgehend von der Geschichte des Calvinismus der ersten Siedler zeigt er auf, wie Zuwanderung, politische Konflikte (Antikolonialismus, Abolutionismus, ...) und die verschiedenen Gesellschaftskonzepte wie Puritanismus und viktorianische Vorstellungen zusammen mit verschiedenen Konflikten wie dem Antikatholizismus, der Prohibition und der schon in den vergangenen Jahrhunderten in den USA offen ausgelebten Lust an der sozialen Disziplinierung Anderer verschiedene Prozesse von Instutionalisierung und Selbstkommodifizierung einerseits und von Erweckungsbewegungen andererseits hervorgebracht haben, die dann die schier unüberschaubare denomitionale Vielfalt des Christentums hervorbrachten.
Verschiedene Wechselspiele, die zeitweise offen und zeitweise latent wirksam waren, wie jenes zwischen Marktkonformität und Selbstkommodifizierung einerseits und Erweckungsbewegungen andereseits, jenes zwischen Heilsexklusivismus und Mission, aber auch zwischen politischer Parteilichkeit und Äquidistanz, Regionalität und Universalität, Norden und Süden, Stadt und Land kennzeichnen diese Entwicklung und führen zur Entstehung der verschiedenen Denominationen, die unter den Begriffen Evangelikalismus, Pfingstbewegung und Fundamentalismus zusammengefasst sind.

Es scheint schier unmöglich, hier eine durchschaubare und verständliche Kurzfassung abzugeben. Wer über die Geschichte des nordamerikanischen Christentums Bescheid wissen will, wird jedenfalls um diese Lektüre kaum herumkommen.

Somit beschränke ich mich hier auf ein paar Äußerlichkeiten: das Buch ist in einer Präzision gearbeitet, die noch selten wo zu finden war - immer wenn man vermeinte, einen Fehler entdeckt zu haben, stellte sich heraus, dass es sich um eine durchdachte und ausgefeilte grammatikalische Konstruktion handelt. Die Sprache ist leicht verständlich, wenngleich man bisweilen verschiedene Begriffe (vor allem aus dem Englischen, aber auch Abkürzungen und Gruppenbezeichnungen) außerordentlich gut unterscheiden können muss.
Insgesamt eine äußerst informative und empfehlenswerte Lektüre, aber halt kein Buch für einen Nachmittag am Pool.

Hochgeschwender, Michael: Amerikanische Religion. Evangelikalismus, Pfingstlertum und Fundamentalismus, Verlag der Weltreligionen / Insel-Verlag: Frankfurt am Main und Leipzig, 2007. ISBN: 978-3-458-71005-9 oder auch: ..., Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007 ISBN-10 3458710051 ISBN-13 9783458710059

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Wenn Gottes Wort zur Waffe wird - Uwe Birnstein

Mit dem Jänner 1999 erschienen Buch Wenn Gottes Wort zur Waffe wird. Fundamentalismus in christlichen Gruppierungen befindet sich der Journalist und Theologe Uwe Birnstein auf seinem Spezialgebiet. Der Autor ist Kenner der religiös-rechten Szene besonders in Deutschland und verfügt über internationale Erfahrungen und Kontakte. Sieht man von der Gewöhnungsbedürftigkeit gewisser bundesdeutscher Spracheigenheiten ab, wozu im Fall Birnsteins leider auch die Verwendung von "-i"-Abkürzungen wie "Volkies" gehört, ist das Buch leicht verständlich und flüssig zu lesen. Allenfalls auftretende Wutausbrüche liegen in den geschilderten Inhalten begründet und sind nicht dem Verfasser anzulasten.

Anfangs mag das Buch für manche, die sich nicht das erste Mal mit diesem Themengebiet auseinandersetzen, etwas langatmig-mühsam sein, denn Birnstein versucht sich eingangs in einer kritischen Distanz zu allen Vorurteilen und Klischees über Fundamentalisten zu positionieren, was spätestens im vierten Kapitel in die unausweichliche Aporie führt.
Die Abhandlungen über Klischees und Begrifflichkeiten rund um das Thema werden den Ansprüchen kritischer TheologInnen vermutlich nicht gerecht werden, doch informativ sind sie auf jeden Fall und das Eigentliche kommt ja erst danach:

In einer gut strukturierten und übersichtlichen Weise, der man auch folgen kann, wenn man das Buch nur für kurze Straßenbahnfahrten zur Hand nimmt und in Etappen liest, handelt Uwe Birnstein die wichtigsten Protagonisten und Themen der evangelikal-pfingstlerischen Szene ab.
Die binäre Denkweise mit der Figur des Satans als Gegenüber Gottes, die Strategien der Mission, die zweifelhafte Ambivalenz beim Thema Ökumene und die publizistischen Aktivitäten der Szene werden verständlich geschildert, wobei sich Birnstein nicht scheut, auch auf Kosten der Überblickbarkeit auf die vielen logischen und strategischen Ungereimtheiten in den Aktivitäten der Szene hinzuweisen.
Wenn es um Evangelikale geht, dürfen natürlich Reizthemen nicht fehlen: Sexualität ist das zentrale Beschäftigungsfeld des rechten Randes, das gilt nicht nur für die katholische Kirche, deren rechts-außen-Vertreter vermutlich vor Neid blass werden, wenn sie die Einstellung einiger evangelikaler Starprediger zum Thema Judenmission kennen. Angesichts der Methoden der evangelikalen Jugendarbeit sind offenkundig schon einige KatholikInnen mehr als nur vor Neid blass geworden und haben sich kurzerhand viel zu viel abgeschaut, denn was man hierorts find-fight-follow nennt ist evangelikale Jugendarbeit par excellence (ok, in der letzten Konsequenz hapert es noch, Gott sei Dank).

In Summe ist Wenn Gottes Wort zur Waffe wird eine verständliche und leicht lesbare Einführung in die Problematik, die sich vorschneller Urteile enthält aber doch Grundlagen zu einer klaren Orientierung bietet.

Birnstein, Uwe: Wenn Gottes Wort zur Waffe wird. Fundamentalismus in christlichen Gruppierungen, Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 1999. (Gütersloher Taschenbücher 1138) ISBN 3-579-01138-3